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Urteil Encro-Chat Verfahren

Datum: 12.04.2024

Kurzbeschreibung: 

Verfahren aus dem Komplex Encro-Chat 

(5 KLs 804 Js 28622/21) endet mit Freispruch

 1.    Dem Angeklagten ist mit Anklageschrift vom 12. Mai 2022 zur Last gelegt worden, er habe von Spanien aus handelnd im April bzw. Mai 2020 in fünf Fällen Mengen zwischen 15 kg und 250 kg Marihuana, und zwar insgesamt rund 450 kg aufgrund entsprechender Vereinbarungen nach Deutschland in den Raum Mannheim geliefert. Er habe sich deshalb - jedenfalls nach damals gültiger Rechtslage - wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge gem. §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG strafbar gemacht.

 Die dem Verfahren zugrundeliegenden Erkenntnisse beruhen maßgeblich auf der Auswertung von Chatnachrichten, die französische Behörden in Zusammenarbeit mit niederländischen Behörden sowie Eurojust und Europol im Frühjahr 2020 erlangt hatten, nachdem es ihnen gelungen war, die Kommunikation auf Servern eines Dienstleistungsunternehmens („Encro-Chat“) sicherzustellen. Dieses Dienstleistungsunternehmen hatte den Kunden eine verschlüsselte Kommunikation über sog. Encro-Chat-Handys angeboten, die vor einer staatlichen Überwachung geschützt seien. 

Aufgrund dieser auch an deutsche Strafverfolgungsbehörden weiter geleiteten Erkenntnisse kam es in der Folgezeit zu einer Vielzahl von Strafverfahren im gesamten Bundesgebiet. In einer grundlegenden Entscheidung hat sich der Bundesgerichtshof (vgl. Beschluss v. 2. März 2022 - Az. 5 Str 457/21, abzurufen über die Homepage des Bundesgerichtshofs) mit der Frage der Verwertbarkeit der aus der Sicherstellung der Encro-Chats erlangten Erkenntnisse beschäftigt und diese Erkenntnisse nur dann für verwertbar erklärt, wenn sie zur Aufklärung einer Straftat verwendet werden, auf Grund derer eine Maßnahme nach § 100b StPO hätte angeordnet werden können. Dabei seien die Wertung des § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO sowie die einschränkenden Voraussetzungen in § 100b Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 StPO in den Blick zu nehmen, wobei maßgeblicher Zeitpunkt für die Frage der Beurteilung der Verwertbarkeit der Zeitpunkt der Verwertung der Daten sei (vgl. RN 68 - 70 der Entscheidung des Bundesgerichtshofs). 

Mögliche Verwendungszeitpunkte sind 

-      die Entscheidung über die Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft, 

-      die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens nach Anklageerhebung durch das erkennende Gericht bzw.

-      die Urteilsberatung bzw. Urteilsverkündung durch das erkennende Gericht.      

 2.    Die 5. Große Strafkammer hat den Angeklagten heute von den oben genannten Vorwürfen freigesprochen und zur Begründung ausgeführt, 

-      dass im Hinblick auf das seit 1. April 2024 gültige Cannabisgesetz (kurz CanG) ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs keine ausreichende Grundlage für eine Verwertbarkeit der Erkenntnisse aus der sichergestellten Kommunikation mehr vorhanden sei,

-      die zunächst in der Hauptverhandlung abgegebene, dann jedoch widerrufene geständige Einlassung nicht ausreichend qualifiziert gewesen sei und damit keine Verurteilungsgrundlage biete und

-      im Übrigen keine weiteren verwertbaren Beweismittel vorhanden seien, die eine Verurteilung rechtfertigen würden.  

 Hinsichtlich der Verwertbarkeit der sog. Encro-Chat-Daten hat die Kammer darauf hingewiesen, dass die nach der Rspr. des Bundesgerichtshofs für die Beurteilung der Verwertbarkeit maßgebliche Regelung des § 100e Abs. 6 StPO durch das seit dem 1. April 2024 gültige Cannabisgesetz durch die teilweise Neuregelung der in Bezug genommenen Regelung des § 100b StPO (vgl. Art. 13a CanG) sowie vor allem durch die Neuregelung der Strafbarkeit bzgl. Cannabisprodukten in § 34 Konsumcannabisgesetz (kurz KCanG) eine grundlegende Änderung erfahren habe.

Die Strafbarkeit bzgl. Cannabisprodukten sei aus den §§ 29 ff BtMG herausgenommen und in § 34 KCanG geregelt worden. Als Folge sei auch § 100b Abs. 2 StPO durch die Einfügung der Nr. 5a (und auch der hier nicht relevanten Nr. 5b) geändert worden. Demnach sei eine Anwendbarkeit des § 100b StPO nur möglich, wenn sich der Angeklagte gem. § 34 Abs. 4 Nr. 1, 3 oder 4 KCanG strafbar gemacht habe.

Für die Beurteilung der Strafbarkeit sei im vorliegenden Verfahren nicht mehr das BtMG (dort §§ 29 ff BtMG) die maßgebliche Grundlage, sondern - sofern es ausschließlich um Cannabis gehe - § 34 KCanG. Eine Strafbarkeit des Angeklagten käme im vorliegenden Verfahren jedoch „nur“ nach § 34 Abs. 3 Nr. 1und Nr. 4 KCanG, nicht aber nach § 34 Abs. 4 CanG in Betracht. 

Da § 100e Abs. 6 Nr. 1 StPO unverändert fortgelte und es demnach für die Frage der Verwertbarkeit darauf ankomme, ob die Voraussetzungen des § 100b Abs. 2 Nr. 5a StPO zum Zeitpunkt der Urteilsberatung bzw. Urteilsverkündung vorliegen und dies nicht der Fall sei, sei die Kammer zu dem Schluss gelangt, dass die sog. Encro-Chat Daten und damit die Erkenntnisse aus der sichergestellten Kommunikation nicht verwertbar seien.

Der Angeklagte sei daher - da auch keine weiteren Grundlagen für eine Verurteilung vorhanden seien - freizusprechen gewesen.

 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass zwar der Haftbefehl im vorliegenden Verfahren aufgehoben worden ist, der Angeklagte sich jedoch aufgrund eines Haftbefehls in einem weiteren Verfahren weiterhin in Untersuchungshaft befindet.

Ergänzende Hinweise (die maßgeblichen Passagen der Gesetzestexte sind fettgedruckt): 

1. §§ 29 - 30a BtMG - Straftaten 

 § 29 BtMG Straftaten

(1)    Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.      Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,

2.      eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,

3.      Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,

4.      (weggefallen)

5.      entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,

6.      entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel

a)     verschreibt,

b)     verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,

     6a. entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel 

           überlässt,

     6b. entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,

7.      entgegen § 13 Absatz 2

a)     Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,

b)     Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer

           abgibt,

8.      entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,

9.      unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,

10.   einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,

11.   ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,

12.   öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,

13.   Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,

14.   einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.

Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2)    In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3)    In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.      in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,

2.      durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4)    Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5)    Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6)    Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

 § 29a BtMG Straftaten

(1)    Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.      als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel 

unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder 

2.      mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2)    In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

 § 30 BtMG Straftaten

(1)    Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren wird bestraft, wer

1.      Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt oder mit ihnen Handel treibt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat,

2.      im Falle des § 29a Abs. 1 Nr. 1 gewerbsmäßig handelt,

3.      Betäubungsmittel abgibt, einem anderen verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt und dadurch leichtfertig dessen Tod verursacht,

4.      Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt einführt oder

5.      eine in § 29a Absatz 1 Nummer 1 bezeichnete Handlung vorsätzlich begeht und dadurch wenigstens leichtfertig ein Kind oder eine jugendliche Person in der körperlichen, geistigen oder sittlichen Entwicklung schwer gefährdet.

(2)    In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

 § 30a BtMG Straftaten

(1)    Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2)    Ebenso wird bestraft, wer

1.      als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder

2.      mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3)    In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

 2. § 34 KCanG - Strafvorschriften

(1)    Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe wird bestraft, wer

1.      entgegen § 2 Absatz 1 Nummer 1

a)     mehr als 30 Gramm Cannabis, bei Blüten, blütennahen Blättern oder sonstigem Pflanzenmaterial der Cannabispflanze bezogen auf das Gewicht nach dem Trocknen, an einem Ort besitzt, der nicht sein Wohnsitz oder sein gewöhnlicher Aufenthalt ist,

b)     insgesamt mehr als 60 Gramm Cannabis, bei Blüten, blütennahen Blättern oder sonstigem Pflanzenmaterial der Cannabispflanze bezogen auf das Gewicht nach dem Trocknen, besitzt oder

c)      mehr als drei lebende Cannabispflanzen besitzt,

2.      entgegen § 2 Absatz 1 Nummer 2

a)     mehr als drei Cannabispflanzen gleichzeitig anbaut oder

b)     Cannabispflanzen nicht zum Eigenkonsum anbaut,

3.      entgegen § 2 Absatz 1 Nummer 3 Cannabis herstellt,

4.      entgegen § 2 Absatz 1 Nummer 4 mit Cannabis Handel treibt,

5.      entgegen § 2 Absatz 1 Nummer 5 Cannabis einführt oder ausführt,

6.      entgegen § 2 Absatz 1 Nummer 6 Cannabis durchführt,

7.      entgegen § 2 Absatz 1 Nummer 7 Cannabis ab- oder weitergibt,

8.      entgegen § 2 Absatz 1 Nummer 8 Cannabis zum unmittelbaren Verbrauch überlässt,

9.      entgegen § 2 Absatz 1 Nummer 9 Cannabis verabreicht,

10.   entgegen § 2 Absatz 1 Nummer 10 Cannabis sonst in den Verkehr bringt,

11.   entgegen § 2 Absatz 1 Nummer 11 sich Cannabis verschafft,

12.   entgegen § 2 Absatz 1 Nummer 12

a)     mehr als 25 Gramm Cannabis pro Tag erwirbt oder entgegennimmt,

b)     mehr als 50 Gramm Cannabis pro Kalendermonat erwirbt oder entgegennimmt,

13.   entgegen § 2 Absatz 2 Cannabinoide extrahiert,

14.   ohne Erlaubnis nach § 2 Absatz 4 Satz 1 Cannabis zu wissenschaftlichen Zwecken besitzt, anbaut, herstellt, einführt, ausführt, erwirbt, entgegennimmt, abgibt, weitergibt, Cannabinoide aus der Cannabispflanze extrahiert oder mit Cannabis zu wissenschaftlichen Zwecken Handel treibt,

15.   (zukünftig in Kraft)

16.   (zukünftig in Kraft).

(2)    In den Fällen des Absatzes 1 Nummer 3 bis 16 ist der Versuch strafbar.

(3)    In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.      in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 2 bis 10 oder Nummer 13, 15 oder Nummer 16 gewerbsmäßig handelt,

2.      durch eine in Absatz 1 Nummer 2 bis 5, 7 bis 10 oder Nummer 13 bis 16 bezeichnete Handlung die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet,

3.      als Person über 21 Jahre

a)     eine in Absatz 1 Nummer 7 bis 9 genannte Handlung begeht und dabei Cannabis an ein Kind oder einen Jugendlichen ab- oder weitergibt, zum unmittelbaren Verbrauch überlässt oder verabreicht oder

b)     ein Kind oder einen Jugendlichen bestimmt, eine in Absatz 1 Nummer 2 Buchstabe a, Nummer 11, 12 oder Nummer 15 genannte Handlung zu begehen oder zu fördern, oder

4.      eine Straftat nach Absatz 1 begeht und sich die Handlung auf eine nicht geringe Menge bezieht.

(4)    Mit Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird bestraft, wer

1.      im Fall des Absatzes 3 Satz 2 Nummer 3 Buchstabe a gewerbsmäßig handelt,

2.      als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, eine in Absatz 1 Nummer 4, 5, 7 oder Nummer 10 genannte Handlung zu begehen oder eine solche Handlung zu fördern,

3.      eine in Absatz 1 Nummer 2 bis 5 oder Nummer 13 genannte Handlung begeht, die sich auf eine nicht geringe Menge bezieht, und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, oder

4.      eine in Absatz 1 Nummer 4, 5 oder Nummer 11 genannte Handlung begeht, die sich auf eine nicht geringe Menge bezieht und dabei eine Schusswaffe oder einen sonstigen Gegenstand mit sich führt, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist.

(5)    Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Nummer 3 bis 13 oder Nummer 15 und 16 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

 3. § 100b StPO Online-Durchsuchung

(1)    Auch ohne Wissen des Betroffenen darf mit technischen Mitteln in ein von dem Betroffenen genutztes informationstechnisches System eingegriffen und dürfen Daten daraus erhoben werden (Online-Durchsuchung), wenn

1.      bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass jemand als Täter oder Teilnehmer eine in Absatz 2 bezeichnete besonders schwere Straftat begangen oder in Fällen, in denen der Versuch strafbar ist, zu begehen versucht hat,

2.      die Tat auch im Einzelfall besonders schwer wiegt und

3.      die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre.

(2)    Besonders schwere Straftaten im Sinne des Absatzes 1 Nummer 1 sind:

1.      aus dem Strafgesetzbuch:

a)     Straftaten des Hochverrats und der Gefährdung des demokratischen Rechtsstaates sowie des Landesverrats und der Gefährdung der äußeren Sicherheit nach den §§ 81, 82, 89a, 89c Absatz 1 bis 4, nach den §§ 94, 95 Absatz 3 und § 96 Absatz 1, jeweils auch in Verbindung mit § 97b, sowie nach den §§ 97a, 98 Absatz 1 Satz 2, § 99 Absatz 2 und den §§ 100, 100a Absatz 4,

b)     Betreiben krimineller Handelsplattformen im Internet in den Fällen des § 127 Absatz 3 und 4, sofern der Zweck der Handelsplattform im Internet darauf ausgerichtet ist, in den Buchstaben a und c bis o sowie in den Nummern 2 bis 10 genannte besonders schwere Straftaten zu ermöglichen oder zu fördern,

c)      Bildung krimineller Vereinigungen nach § 129 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 5 Satz 3 und Bildung terroristischer Vereinigungen nach § 129a Absatz 1, 2, 4, 5 Satz 1 erste Alternative, jeweils auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1,

d)     Geld- und Wertzeichenfälschung nach den §§ 146 und 151, jeweils auch in Verbindung mit § 152, sowie nach § 152a Absatz 3 und § 152b Absatz 1 bis 4,

e)     Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung in den Fällen des § 176 Absatz 1 und der §§ 176c, 176d und, unter den in § 177 Absatz 6 Satz 2 Nummer 2 genannten Voraussetzungen, des § 177,

f)       Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornografischer Inhalte in den Fällen des § 184b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2,

g)     Mord und Totschlag nach den §§ 211, 212,

h)     Straftaten gegen die persönliche Freiheit in den Fällen des § 232 Absatz 2 und 3, des § 232a Absatz 1, 3, 4 und 5 zweiter Halbsatz, des § 232b Absatz 1 und 3 sowie Absatz 4, dieser in Verbindung mit § 232a Absatz 4 und 5 zweiter Halbsatz, des § 233 Absatz 2, des § 233a Absatz 1, 3 und 4 zweiter Halbsatz, der §§ 234 und 234a Absatz 1 und 2 sowie der §§ 239a und 239b,

i)       Bandendiebstahl nach § 244 Absatz 1 Nummer 2 und schwerer Bandendiebstahl nach § 244a,

j)       schwerer Raub und Raub mit Todesfolge nach § 250 Absatz 1 oder Absatz 2, § 251,

k)      räuberische Erpressung nach § 255 und besonders schwerer Fall einer Erpressung nach § 253 unter den in § 253 Absatz 4 Satz 2 genannten Voraussetzungen,

l)       gewerbsmäßige Hehlerei, Bandenhehlerei und gewerbsmäßige Bandenhehlerei nach den §§ 260, 260a,

m)    besonders schwerer Fall der Geldwäsche nach § 261 unter den in § 261 Absatz 5 Satz 2 genannten Voraussetzungen, wenn die Vortat eine der in den Nummern 1 bis 7 genannten besonders schweren Straftaten ist,

n)     Computerbetrug in den Fällen des § 263a Absatz 2 in Verbindung mit § 263 Absatz 5,

o)     besonders schwerer Fall der Bestechlichkeit und Bestechung nach § 335 Absatz 1 unter den in § 335 Absatz 2 Nummer 1 bis 3 genannten Voraussetzungen,

2.      aus dem Asylgesetz:

a)     Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84 Absatz 3,

b)     gewerbs- und bandenmäßige Verleitung zur missbräuchlichen Asylantragstellung nach § 84a Absatz 1,

3.      aus dem Aufenthaltsgesetz:

a)     Einschleusen von Ausländern nach § 96 Absatz 2,

b)     Einschleusen mit Todesfolge oder gewerbs- und bandenmäßiges Einschleusen nach § 97,

4.      aus dem Außenwirtschaftsgesetz:

a)     Straftaten nach § 17 Absatz 1, 2 und 3, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 6 oder 7,

b)     Straftaten nach § 18 Absatz 7 und 8, jeweils auch in Verbindung mit Absatz 10,

5.      aus dem Betäubungsmittelgesetz:

a)     besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 29 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, 5, 6, 10, 11 oder 13, Absatz 3 unter der in § 29 Absatz 3 Satz 2 Nummer 1 genannten Voraussetzung,

b)     eine Straftat nach den §§ 29a, 30 Absatz 1 Nummer 1, 2, 4, § 30a,

   5a. aus dem Konsumcannabisgesetz:

         Straftaten nach § 34 Absatz 4 Nummer 1, 3 oder Nummer 4,

   5b. aus dem Medizinal-Cannabisgesetz:

         Straftaten nach § 25 Absatz 5 Nummer 1, 3 oder Nummer 4,

6.      aus dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen:

a)     eine Straftat nach § 19 Absatz 2 oder § 20 Absatz 1, jeweils auch in Verbindung mit § 21,

b)     besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 22a Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2,

7.      aus dem Grundstoffüberwachungsgesetz:

        Straftaten nach § 19 Absatz 3,

8.      aus dem Neue-psychoaktive-Stoffe-Gesetz:

        Straftaten nach § 4 Absatz 3 Nummer 1,

9.      aus dem Völkerstrafgesetzbuch:

a)     Völkermord nach § 6,

b)     Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7,

c)      Kriegsverbrechen nach den §§ 8 bis 12,

d)     Verbrechen der Aggression nach § 13,

10.   aus dem Waffengesetz:

a)     besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 51 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2,

b)     besonders schwerer Fall einer Straftat nach § 52 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit Absatz 5.

(3)    Die Maßnahme darf sich nur gegen den Beschuldigten richten. Ein Eingriff in informationstechnische Systeme anderer Personen ist nur zulässig, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass

1.      der in der Anordnung nach § 100e Absatz 3 bezeichnete Beschuldigte informationstechnische Systeme der anderen Person benutzt, und

2.      die Durchführung des Eingriffs in informationstechnische Systeme des Beschuldigten allein nicht zur Erforschung des Sachverhalts oder zur Ermittlung des Aufenthaltsortes eines Mitbeschuldigten führen wird.

Die Maßnahme darf auch durchgeführt werden, wenn andere Personen unvermeidbar betroffen werden.

(4) § 100a Absatz 5 und 6 gilt mit Ausnahme von Absatz 5 Satz 1 Nummer 1 entsprechend.

 4. § 100e StPO Verfahren bei Maßnahmen nach den §§ 100a bis 100c

(1)    Maßnahmen nach § 100a dürfen nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch das Gericht angeordnet werden. Bei Gefahr im Verzug kann die Anordnung auch durch die Staatsanwaltschaft getroffen werden. Soweit die Anordnung der Staatsanwaltschaft nicht binnen drei Werktagen von dem Gericht bestätigt wird, tritt sie außer Kraft. Die Anordnung ist auf höchstens drei Monate zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als drei Monate ist zulässig, soweit die Voraussetzungen der Anordnung unter Berücksichtigung der gewonnenen Ermittlungsergebnisse fortbestehen.

(2)    Maßnahmen nach den §§ 100b und 100c dürfen nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft durch die in § 74a Absatz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes genannte Kammer des Landgerichts angeordnet werden, in dessen Bezirk die Staatsanwaltschaft ihren Sitz hat. Bei Gefahr im Verzug kann diese Anordnung auch durch den Vorsitzenden getroffen werden. Dessen Anordnung tritt außer Kraft, wenn sie nicht binnen drei Werktagen von der Strafkammer bestätigt wird. Die Anordnung ist auf höchstens einen Monat zu befristen. Eine Verlängerung um jeweils nicht mehr als einen Monat ist zulässig, soweit die Voraussetzungen unter Berücksichtigung der gewonnenen Ermittlungsergebnisse fortbestehen. Ist die Dauer der Anordnung auf insgesamt sechs Monate verlängert worden, so entscheidet über weitere Verlängerungen das Oberlandesgericht.

(3)    Die Anordnung ergeht schriftlich. In ihrer Entscheidungsformel sind anzugeben:

1.      soweit möglich, der Name und die Anschrift des Betroffenen, gegen den sich die Maßnahme richtet,

2.      der Tatvorwurf, auf Grund dessen die Maßnahme angeordnet wird,

3.      Art, Umfang, Dauer und Endzeitpunkt der Maßnahme,

4.      die Art der durch die Maßnahme zu erhebenden Informationen und ihre Bedeutung für das Verfahren,

5.      bei Maßnahmen nach § 100a die Rufnummer oder eine andere Kennung des zu überwachenden Anschlusses oder des Endgerätes, sofern sich nicht aus bestimmten Tatsachen ergibt, dass diese zugleich einem anderen Endgerät zugeordnet ist; im Fall des § 100a Absatz 1 Satz 2 und 3 eine möglichst genaue Bezeichnung des informationstechnischen Systems, in das eingegriffen werden soll,

6.      bei Maßnahmen nach § 100b eine möglichst genaue Bezeichnung des informationstechnischen Systems, aus dem Daten erhoben werden sollen,

7.      bei Maßnahmen nach § 100c die zu überwachende Wohnung oder die zu überwachenden Wohnräume.

(4)    In der Begründung der Anordnung oder Verlängerung von Maßnahmen nach den §§ 100a bis 100c sind deren Voraussetzungen und die wesentlichen Abwägungsgesichtspunkte darzulegen. Insbesondere sind einzelfallbezogen anzugeben:

1.      die bestimmten Tatsachen, die den Verdacht begründen,

2.      die wesentlichen Erwägungen zur Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme,

3.      bei Maßnahmen nach § 100c die tatsächlichen Anhaltspunkte im Sinne des § 100d Absatz 4 Satz 1.

(5)    Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, so sind die auf Grund der Anordnung ergriffenen Maßnahmen unverzüglich zu beenden. Das anordnende Gericht ist nach Beendigung der Maßnahme über deren Ergebnisse zu unterrichten. Bei Maßnahmen nach den §§ 100b und 100c ist das anordnende Gericht auch über den Verlauf zu unterrichten. Liegen die Voraussetzungen der Anordnung nicht mehr vor, so hat das Gericht den Abbruch der Maßnahme anzuordnen, sofern der Abbruch nicht bereits durch die Staatsanwaltschaft veranlasst wurde. Die Anordnung des Abbruchs einer Maßnahme nach den §§ 100b und 100c kann auch durch den Vorsitzenden erfolgen.

(6)    Die durch Maßnahmen nach den §§ 100b und 100c erlangten und verwertbaren personenbezogenen Daten dürfen für andere Zwecke nach folgenden Maßgaben verwendet werden:

1.      Die Daten dürfen in anderen Strafverfahren ohne Einwilligung der insoweit überwachten Personen nur zur Aufklärung einer Straftat, auf Grund derer Maßnahmen nach § 100b oder § 100c angeordnet werden könnten, oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person verwendet werden.

2.      Die Verwendung der Daten, auch solcher nach § 100d Absatz 5 Satz 1 zweiter Halbsatz, zu Zwecken der Gefahrenabwehr ist nur zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden Lebensgefahr oder einer dringenden Gefahr für Leib oder Freiheit einer Person, für die Sicherheit oder den Bestand des Staates oder für Gegenstände von bedeutendem Wert, die der Versorgung der Bevölkerung dienen, von kulturell herausragendem Wert oder in § 305 des Strafgesetzbuches genannt sind, zulässig. Die Daten dürfen auch zur Abwehr einer im Einzelfall bestehenden dringenden Gefahr für sonstige bedeutende Vermögenswerte verwendet werden. Sind die Daten zur Abwehr der Gefahr oder für eine vorgerichtliche oder gerichtliche Überprüfung der zur Gefahrenabwehr getroffenen Maßnahmen nicht mehr erforderlich, so sind Aufzeichnungen über diese Daten von der für die Gefahrenabwehr zuständigen Stelle unverzüglich zu löschen. Die Löschung ist aktenkundig zu machen. Soweit die Löschung lediglich für eine etwaige vorgerichtliche oder gerichtliche Überprüfung zurückgestellt ist, dürfen die Daten nur für diesen Zweck verwendet werden; für eine Verwendung zu anderen Zwecken sind sie zu sperren.

3.      Sind verwertbare personenbezogene Daten durch eine entsprechende polizeirechtliche Maßnahme erlangt worden, dürfen sie in einem Strafverfahren ohne Einwilligung der insoweit überwachten Personen nur zur Aufklärung einer Straftat, auf Grund derer die Maßnahmen nach § 100b oder § 100c angeordnet werden könnten, oder zur Ermittlung des Aufenthalts der einer solchen Straftat beschuldigten Person verwendet werden.

 Dr. Joachim Bock

Pressesprecher und Vorsitzender Richter am Landgericht       

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